Ernährungsstatus von AIDS-Patienten
Lebensdauer und Ernährungsstatus
Die Infizierung mit dem HI-Virus führt in vielen Fällen zur einer latenten Mangelernährung. Im Endstadium der Erkrankung besteht bei über 90% der Betroffenen ein ausgeprägtes Untergewicht (Kachexie). Aufgrund der Untersuchungen von Kotler, bei denen AIDS-Patienten vier bis fünf Monate vor ihrem Tod 34% ihres Körpergewichtes verloren, ist davon auszugehen, dass das Körpergewicht eng mit der Lebensdauer der Patienten korreliert.
Dieser Gewichtsverlust betrifft im Frühstadium hauptsächlich Körperfett und extrazelluläre Flüssigkeit. Die Körperzellmasse, die sich v.a. aus Proteinen, Glykogen und Wasser zusammensetzt, ist zu einem späteren Zeitpunkt betroffen. Bei den Verstorbenen hat sich die Körperzellmasse durchschnittlich um etwa die Hälfte reduziert. Typische Symptome wie Schwäche, Müdigkeit und Teilnahmslosigkeit (Apathie) lassen sich somit erklären.
Wasting Syndrom
Der schrittweise Abbau von Körpermasse wird auch Wasting Syndrom genannt. Er kommt im wesentlichen durch die sogenannte AIDS-Enteropathie zustande, die durch chronischen Durchfall (Diarrhöen) und Schädigungen der Dünn- und Dickdarmschleimhaut gekennzeichnet ist, was in vielen Fällen eine verminderte Aufnahme von Nährstoffen zur Folge hat (Malabsorption). Diese betrifft v.a. die Resorption von Fett und Mikronährstoffen (Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente).
Ursache der Kachexie
Die Ursache dieser hochgradigen Kachexie ist bisher weitgehend unbekannt. Möglicherweise spielt die Bildung von Cytokinen eine wichtige Rolle. Unter Cytokinen versteht man hormonähnliche Signalstoffe des Organismus, die sowohl das humorale als auch das zelluläre Immunsystem regulieren. Sie beeinflussen das Wachstum und die Differenzierung von T- und B-Lymphozyten. Eine große Gruppe der Cytokine sind die Interleukine. Das Interleukin-1 (α und β) aktiviert T- und B-Lymphozyten und wirkt sich weiterhin auf das Zentralnervensystem (z.B. Fieberauslösung, Appetitlosigkeit, Corticotropin-Ausschüttung), den Stoffwechsel, das Blutsystem und die Blutgefäße aus. Das Interleukin-2 fördert das Wachstum aktivierter T-Zellen und gilt als Reifungsfaktor für B-Zellen.
Vitaminmangel
Neben der Kachexie sind etwa ein Drittel der Patienten von einem Mangel an Mikronährstoffen betroffen. Dieser umfasst v.a. die Vitamine B6 (Pyridoxin), B12 (Cobalamin) und Folsäure sowie die Spurenelemente Zink und Selen.
Die Ursachen für den Zink- und Selenmangel sind bislang ungeklärt. Der Vitamin B12-Mangel ist auf Schädigungen der Darmschleimhaut (terminaler Ileum), möglicherweise auch auf Veränderungen der Transportproteine zurückzuführen. Während die Ursachen des Folsäuremangels weitgehend denen des Vitamin B12 entsprechen, ist die Ursache des Vitamin B6-Mangels bisher ungeklärt. Dieser tritt bereits bei asymptomatischen HIV-Patienten auf. Es besteht weiterhin eine Zusammenhang zwischen Plasma-Vitamin B12-Spiegel und der Anzahl der CD4+-T-Lymphozyten, was eine bedarfsgerechte Zufuhr dieses Vitamins erforderlich macht.
Quelle: Rauh M., Müller C.: Einsatz von Cannabis bzw. Delta-9-Tetrahydrocannabinol in der AIDS-Therapie., 1999